Nun ist es raus, aber eine Überraschung, gar eine Sensation ist es nicht. Neun der im Zusammenhang mit der "Operacion Puerto" sichergestellten Blutbeutel mit der Kennzeichnung "Rudis Sohn", "Jan 1" und "Nummer 1" sollen "zweifelsfrei" von ihm stammen, wie die Bonner Staatsanwaltschaft bekannt gab.
Aber sind wir doch mal ehrlich. War es für uns eine große Überraschung, dass die in Spanien gefundenen Blutkonserven Jan Ullrich zugeordnet werden konnten? Haben wir nicht den letzten Funken Glauben an Jan Ullrichs Unschuld noch während seiner Auftritte bei der Pressekonferenz am 26. Februar in Hamburg und am selben Tag bei Reinhold Beckmann verloren?
Hätte, wenn und aber
Jan sagte damals unter anderem: "Das, was ich jetzt hier vor mir habe, das sind - Gott weiß - das sind meine Gedanken". Waren es wirklich die Gedanken von Jan Ullrich? Viele haben den gebürtigen Rostocker als aufrichtigen und ehrlichen Menschen kennen gelernt, ihn gerade auf Grund seiner "Normalität" gemocht und seine Probleme mit Übergewicht und kaputtem Fahrradständer als menschlich angenommen.
Hätte Jan Ullrich es doch einfach zugegeben. Hätte er den Kontakt zu Herrn Fuentes nicht geleugnet, hätten ihm auch sicherlich viele verziehen. Hätte, wenn und aber... Nun hat er sich - und das waren bestimmt nicht seine, sondern die "Worte, Empfehlungen und Ratschläge" seiner Berater - in die Sackgasse manövriert. Da gibt es keinen Ausweg. Da gibt es nur noch ein juristisches Hin und Her und der ehemalige Star des deutschen Radsports wird möglicherweise, wie er es mit seinem Arbeitsgerät ab und an getan hat, stürzen, nur nach diesem Sturz nicht mehr so schnell auf die Beine kommen.
Was ist eigentlich mit Basso & Co?
Aber warum trifft es eigentlich nur Jan Ullrich? Was ist mit Ivan Basso, José Enrique Gutierrez, Oscar Sevilla, Jörg Jaksche und zum Beispiel Luis Leon Sanchez? Was ist mit all den anderen Blutkonserven, die einst bei Herrn Fuentes und seinen Kollegen gefunden wurden, warum werden sie nicht alle abgeglichen? Geredet und geschrieben wurde immer nur über Radsport und deren Profis. Was ist mit anderen Athleten, die einst hinter vorgehaltener Hand genannt wurden, und warum hat die spanische Justiz den Fall vor wenigen Wochen zu den Akten gelegt, die "Operacion Puerto" ohne strafrechtliche Folgen abgeschlossen?
Bestünde etwa die Gefahr, dass durch ein groß angelegtes "Reinemachen" nicht nur der Radsport, sondern viele weitere Sportarten und vor allem hoch bezahlte Profis ihr Gesicht verlieren würden. Dank der deutschen "Gründlichkeit" ist es uns allerdings einmal mehr gelungen, einem Star zu huldigen, um ihn anschließend so tief es nur geht, fallen zu lassen. Vor allem im Sport ist das ganz wichtig. Einem Italiener und schon gar nicht der italienischen Regierung - da sind Spanier, Franzosen und viele anderen Nationen nicht anders - würde es nicht einfallen ihre Helden einfach so abzuschießen.
Eine andere Mentalität
Denken wir dabei doch nur an die Skandale im italienischen oder spanischen Fußball, oder an den Kopfstoß von Zinédine Zidane im WM-Endspiel. All diese Sünden wurden vertuscht, vergeben und für nie da gewesen erklärt. Bei uns in Deutschland fast undenkbar.
Warum kümmern sich Menschen so verbissen um die "Gerechtigkeit" und nutzen die Populärität anderer, um ihre eigene zu verbessern oder gar Geld damit zu verdienen? Was hat Jan Ullrich denn so viel Schlimmeres getan als die Herren Christoph Daum, Jörg Immendorff und Michel Friedmann?
Im Gegensatz zur Politik, der freien Wirtschaft und anderen Sportarten - insbesondere dem Fußball - ist es ein Leichtes auf dem Radsport herumzuhacken, ihn zu kritisieren. Zum einen ist dies schon seit vielen Jahren so, da kann man doch mal mitmachen und etwas für die eigene Bekanntheit tun und zum anderen sind die Radsportler durch ihr Verhalten selbst Schuld daran.
Nicht nur der Sport ist gefordert
Das Verhalten von Jan Ullrich hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass die Beliebtheit des Radsports gefördert, oder der Radsport von seinem Image als "Dopingsport" bezeichnet zu werden befreit wird. Das falsche Verhalten von Jan Ullrich hat aber hoffentlich dazu beigetragen, dass die abschreckende Wirkung des Dopings - und das betrifft alle Sportarten - entdeckt zu werden noch größer geworden ist und sich ein in Lügen verstricktes Spiel für keinen Sportler, sondern nur für deren Juristen, die damit Geld verdienen, lohnt.
Die Sportfunktionäre und Politiker sollten sich schnellstens darüber Gedanken machen, wie es innerhalb eines gemeinsamen Europas aussehen könnte, um nicht nur einen, sondern alle Beschuldigten in solchen Fällen zu bestrafen. Was nützt es ab und an ein Exempel zu statuieren, um damit die Arbeit der Verbände, Agenturen und Parteien hervorzuheben, wenn nach wie vor im großen Stil betrogen und manipuliert wird. Und das sicher nicht nur im Sport oder insbesondere beim Radsport.
Ein Kommentar von Karsten Migels
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